18.9.06

weissblaue stillgeschichten

das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) ist nicht nur zuständig für unappetitliche dinge wie gammelfleisch, sondern hat auch im sachgebiet umweltmedizin eine studie mit dem titel "Stillverhalten in Bayern" durchgeführt. die ergebnisse wurden am vergangenen wochenende auf der 102. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) vorgestellt, wie man unter anderem in einem artikel in der welt nachlesen konnte.
was auf dem kinderärztekongress in mainz im detail diskutiert wurde, wissen wir nicht, aber das LGL hat schon anfang des jahres erste ergebnisse veröffentlicht. es lohnt sich, diese einmal genauer zu betrachten.

unter anderem wurden die teilnehmenden mütter bereits vor der geburt gefragt, ob sie stillen wollen. 9 % entschieden sich dagegen, und die stillzeit läßt es sich nicht nehmen, die angegebenen gründe zu kommentieren:

- fand Flaschenfütterung bequemer
bequem für wen? ist es bequem, ein kind mit einem in vielerlei hinsicht erhöhten krankheitsrisiko zu haben, weil es eine unphysiologische ernährung erhält? welche mutter verbringt gerne ihre zeit im wartezimmer des kinderarztes?

- schon Probleme beim früheren Kind
könnte man diesen problemen nicht auf den grund gehen, um mit fachkundiger hilfe (zb von einer stillberaterin) die ursachen beim nächsten kind zu beheben?

- muss bald wieder berufstätig sein
wieso ließe sich dies nicht mit dem stillen vereinbaren? in der zeit, in der man zuhause ist (keine mutter arbeitet 24h pro tag ausser haus), könnte das kind doch trotzdem an die brust, und auf der arbeit könnte man abpumpen. man hat sogar ein im mutterschutzgesetz festgeschriebenes und somit gesetzlich geregeltes recht auf solche still- und pumppausen! hilfestellung bei der umsetzung bietet das AFS-projekt „Stillen bei Erwerbstätigkeit“, und auch die nationale stillkommission (NSK) hat eine entsprechende empfehlung zu diesem thema herausgegeben.

- Stress zu Hause zu groß
da wäre eine genauere betrachtung des stresses hilfreich. wo könnte die mutter entlastet werden? welche hilfen gibt es?

- wollte wieder rauchen
dies ist nicht unbedingt ein hinderungsgrund zu stillen. dass rauchen in schwangerschaft und stillzeit nicht gesund ist (und ansonsten auch nicht), weiss wohl jeder, doch auch die nationale stillkommission empfiehlt, deswegen nicht das stillen aufzugeben. bei einem mit kunstmilch gefütterten baby, das den ganzen tag in der von der mutter verqualmten bude hockt, sind diverse gesundheitliche risiken fast schon vorprogrammiert, und diese sind sicherlich wesentlich höher, als wenn die mutter (wenig! und nicht in gegenwart des kindes!) raucht und das kind trotzdem stillt.

- wollte Alkohol trinken
das ist das gleiche thema wie rauchen. wenn man es nicht übertreibt und zb längere stillpausen des kindes dafür nutzt, ist nichts gegen ein gläschen bier oder wein ab und zu einzuwenden, wie man beispielsweise in einem diesbezüglichen FAQ der la leche league (LLL) nachlesen kann.

- eigene Gesundheitsprobleme
auch diese sind nur in wenigen fällen nicht mit dem stillen vereinbar. oftmals liegt es auch am mangelnden wissen des behandelnden arztes, der lieber vorsorglich rät, nicht zu stillen, anstatt sich bei geeigneten ansprechpartnern umfassend zu informieren.

- Angst vor Änderung der Brustform
da sollte man wohl lieber erst gar nicht schwanger werden. die brustform ändert sich bereits in der schwangerschaft, egal ob man später stillt oder nicht. eine frau, die ihre knackige figur behalten will, darf halt keine kinder kriegen - und wird aber spätestens im rentenalter ebenfalls opfer der schwerkraft und nachlassender bindegewebsfestigkeit (und hat dann nichtmal enkelchen, durch die sie sich körperlich fit halten kann).
und als (ziemlich krasse) "änderung der brustform" dürfte wohl die brustamputation gelten - angesichts der tatsache, dass frauen, die nie gestillt haben, ein wesentlich höheres brustkrebs-risiko haben, sollte die wahl zwischen der "gefahr" von hängebrüsten und einem erhöhten krebsrisiko nicht allzu schwerfallen. je länger eine frau in ihrem leben gestillt hat, desto geringer ist die wahrscheinlichkeit, dass sie an brustkrebs erkrankt, was bereits viele studien nachgewiesen haben.

- Arzneimtteleinnahme
da hilft oft ein anruf bei einer geeigneten beratungsstelle wie der embryotox in berlin. es gibt nur wenige medikamente, die wirklich mit dem stillen unvereinbar sind.

- Schadstoffe
die sind überall, auch in der künstlichen babynahrung, auch in der beikost, und selbst in der luft. fakten helfen, derartige bedenken bezüglich des stillens zu entkräften.

- Partner will nicht
naja, er muss doch auch nicht. stillende männer sind überaus selten. ;-)
und welcher papa weiss es nicht zu schätzen, wenn der weinende nachwuchs an der mamabrust schnell und effektiv beruhigt werden kann? würde der mann denn lieber nachts aufstehen und fläschchen machen wollen?

schon diese kurze analyse der in der bayrischen studie genannten nichtstillgründe zeigt also, dass viele vorbehalte lediglich auf mangelnder information beruhen. es ist zu vermuten, dass sich einige der stillunwilligen frauen vielleicht doch fürs stillen entscheiden würden, bekämen sie zum richtigen zeitpunkt infos, tips und hilfe.
es bleibt also noch viel zu tun...

Comments:
danke für die schöne liste und die guten argumente. ich glaube trotzdem, dass man frauen, die mit solchen argumenten kommen, nicht helfen kann. die wollen einfach nicht stillen. für leidenschaftliche stillerinnen ist das manchmal vielleicht unverständlich, aber es ist wirklich einfach so.
schade!
 
doreen, es geht nur darum, dass die frauen vorher bescheid wissen und die argumente kennen sollten. wenn sie sich dann trotzdem gegen das stillen entscheiden, kein problem. aber nur wenn man gut informiert ist und klarheit über die möglichen folgen seines handelns hat, kann man auch eine zufriedenstellende entscheidung treffen, egal ob für oder gegen das stillen.
die genannten gründe entpuppen sich bei näherer betrachtung als scheinargumente. wenn eine frau sie trotzdem als begründung für ihr nichtstillen benutzt, ist das ihre sache. wenn sie aber diesen falschaussagen aufgesessen ist und eigentlich gerne gestillt hätte und sich hinterher dann ärgert, weil sie erfährt, dass sie trotz ihrer bedenken hätte stillen können, dann ist das doch traurig, oder?
 
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