27.10.06

zeichen an der wand

noch bis zum 30. oktober könnt ihr euch beim Breastfeeding Symbol Contest der US-zeitschrift mothering beteiligen. gesucht wird das schönste still-piktogramm. aus über 500 einsendungen wurden 12 finalisten gewählt, und die stillende internet-gemeinde soll nun darüber abstimmen, welches symbol in zukunft weltweit als alternative zum bekannten, aus stillsicht jedoch nicht wirklich erfreulichen flaschensymbol benutzt werden soll, um mutter-und-kind-bereiche im öffentlichen raum zu kennzeichnen.

ein erster kritikpunkt an diesen favoriten-entwürfen ist nun die tatsache, dass sie fast alle nur relativ kleine babys zeigen, was leider diskriminierend bezogen auf ältere stillkinder wirkt. gerade piktogramme und andere stark vereinfachende grafische abbildungen böten ideale möglichkeiten, das kind eher "alterslos" zu zeigen und nicht so stark den babykontext zu assoziieren. diese chance wurde leider nicht genutzt.

da man beim stichwort "baby" sofort auch an windeln denkt, bleibt in diesem zusammenhang zu hoffen, dass keine reinen wickelräume und wickelplätze mit einem solchen still-icon beschildert werden. das stillen neben einem übelriechenden windeleimer in der schmuddeligen ecke einer damentoilette dürfte wohl kaum einer stillmama spaß machen und ist doch sehr entwürdigend.

auch lässt sich die durchaus berechtigte frage stellen, ob ein eigener stillraum wirklich etwas die stillkultur förderndes ist. die stillzeit ist der meinung, dass überall gestillt werden kann und sollte, weshalb es keine notwendigkeit gibt, stillende mütter und ihre kinder in extra abgetrennte räume zu schicken. schnell kann nämlich aus dem gutgemeinten angebot eines separaten rückzugsraums der (vermeintliche) zwang entstehen, diesen auch zum stillen benutzen zu müssen, obwohl man eigentlich nicht will und als mutter kein problem damit hat, öffentlich zu stillen. und nicht jede frau ist offensiv genug, beim hinweis "gehen sie doch zum stillen ins stillzimmer, sie belästigen die anderen gäste" entsprechend zu kontern und trotzdem sitzenzubleiben.

das symbol allein sagt über seine konkret intendierte bedeutung nichts aus, also ist das missverständnispotential hoch, wodurch die verwendung eines solchen stillsymbols auch ein großer schritt in die falsche richtung werden könnte, nämlich hin zum verschwinden des bildes von der stillenden mutter in der öffentlichkeit.
weshalb sollte das stillen - als genuin natürliche handlung - nur noch in abgeschotteten spezialräumen stattfinden, während flaschegeben - als künstliche ersatzhandlung - weiterhin überall im öffentlichen raum geschehen kann? warum soll ausgerechnet das stillen immer im stillen kämmerlein stattfinden?

um solchen falschen interpretationen eines still-piktogramms vorzubeugen, wäre es sinnvoll, wenigstens noch einen kurzen slogan oder hinweis hinzuzufügen. es gibt diverse ähnliche, bereits existierende stillsymbole von initiativen aus south carolina (USA), nebraska (USA), australien, großbritannien und nord-irland, die andeuten, wie man dies umsetzen könnte, um die botschaft eindeutiger rüberzubringen, ohne die gefahr, dass es zum menetekel im sinne heines wird.

und nun überlegen wir uns mal kurz, wie das ganze eigentlich in der praxis aussehen soll. was hat man von einem schild, wenn es nichts gibt, das man damit beschildern kann? denn selbst wenn wir die sinnhaftigkeit von stillräumen annehmen, die ja, wie bereits dargestellt, durchaus auch kritisierbar ist, so bleibt die frage: welches unternehmen oder welche institution hätte überhaupt die finanziellen und platzmäßigen kapazitäten und vor allem auch den willen, solche räume einzurichten? wer würde dies für nötig halten?

und da wird das grundlegendere problem sichtbar, das hinter dieser symbolfrage steht: es geht um eine kinderfeindliche gesellschaft, in der öffentliche räume nicht so gestaltet sind, dass man sich als mutter mit kleinen kindern gerne dort aufhält - unabhängig davon, ob sie gestillt werden oder nicht. kinder sind nunmal laut (egal ob sie weinen oder lachen), wenn sie etwas essen, liegen danach krümel auf dem boden, wenn sie spielen, wird es unordentlich... all das ist völlig normal und natürlich, und jede von uns kennt aber doch diverse situationen, in denen man blöde angeguckt oder gar angesprochen wird, wenn man mit seinem kleinkind in der öffentlichkeit unterwegs ist und es sich eben ganz kleinkindtypisch verhält.

eine diskussion über still- oder flaschen-piktogramme ist nur ein symptom für eine gesellschaft, in der kinder lediglich als künftige rentenbeitragszahler in der statistik gern gesehen werden, aber nicht als lebendige, aktive wesen, die am sozialen leben ihrer eltern teilhaben wollen. veränderungen müssten auf ganz anderen ebenen stattfinden als auf irgendwelchen hinweisschildern. in einer welt, in der kinder willkommen sind und mit all ihren eigenschaften und bedürfnissen respektiert werden, erübrigt sich diese schilderfrage ganz von selbst.

stillen kann man überall, wo man will. dafür braucht man keine piktogramme. die gesellschaft als solche muss still- und insgesamt kinderfreundlicher werden, und dies erreicht man sicherlich nicht dadurch, dass man irgendwo ein bildchen an die tür klebt oder bildchen A gegen bildchen B ersetzt. mag die idee mit den still-icons zwar gut gemeint sein, so ist sie trotzdem überflüssig und vor allem nicht durchdacht...

achja, und wenn man schon ein symbol für babybezogene orte sucht, das den anspruch hat, eine babyflasche oder einen schuller ersetzen zu wollen, dann sollte man konsequenterweise als äquivalent nicht ein stillpaar abbilden, sondern eine brust - so wie es beispielsweise hathor the cowgoddess vormacht. ;-)

19.10.06

nicht geschüttelt, nicht gerührt

harte alkoholika wie der klassische wodka-martini, den james bond bevorzugt, sollten in der stillzeit tabu sein. aber ansonsten ist ein gläschen in ehren hin und wieder durchaus erlaubt.

wer trotzdem bedenken hat, ob das stillkind durch die milch zuviel alkohol abbekommt, dem kann seit geraumer zeit durch milkscreen geholfen werden. stolze 20 dollar kosten 6 teststreifen, mit denen man feststellen kann, ob die muttermilch alkohol enthält. einem artikel im boston herald zufolge verfärbt sich der teststreifen bei einem alkoholwert von mehr als 0,5mg/100ml, und ab diesem wert sollte man das stillen lieber für ein paar stündchen unterlassen - leider gibt die milkscreen-page keine quellenangaben oder referenzen für diesen wert an.

ob ein solches produkt wirklich etwas ist, worauf die welt gewartet hat? wir werden sehen. auf alle fälle würde das glas wein oder bier, das sich die stillmutter gönnen möchte, dadurch doch um einiges teurer.

im neusten james-bond-film wird übrigens weder geschüttelt noch gerührt, sondern lieber schleichwerbung für bier gemacht.
beherzigt also ruhig den klugen rat des LLL-faqs:
"Any drink is more fun with an umbrella in it!"
und genießt künftig euer abendliches heineken mit einem cocktail-schirmchen darin - ihr werdet euch sofort wie die heldin eines actionfilms fühlen. ;-)

14.10.06

hoch lebe der standard

heute ist weltnormentag, und es ist ja auch wirklich oftmals praktisch, wenn die dinge des täglichen lebens einem genormten standard entsprechen und alles gut zusammenpasst, weshalb wir auch dem deutschen institut für normung e.v. (DIN) einen schönen tag der offenen tür wünschen.

eine sache, die sich nie irgendwelchen DIN- oder ISO-normen unterwerfen wird, ist das stillen. jede stillbeziehung ist einzigartig, jedes stillkind hat seinen ganz individuellen rhythmus, und man richtet großen schaden an, wenn man versucht, das kind gemäß eigener vorstellungen zurechtzubiegen, um es einer fragwürdigen gesellschaftlichen norm anzupassen (stichwort 2-stunden-abstände, nächtliches durchschlafen und ähnliches).

lustigerweise gibt es jedoch auch ähnlichkeiten zwischen dem weltnormentag (neudeutsch "world standards day", WSD) und der vor wenigen tagen erst zuende gegangenen weltstillwoche (neudeutsch "world breastfeeding week", WBW). so haben beide beispielsweise jedes jahr ein neues motto, das sowohl beim WSD also auch bei der WBW immer recht knackig ausfällt. und da wir uns den weltnormentag zu herzen nehmen, erkennen wir, dass durch solch anglizierte akronyme die welt doch auch gleich viel übersichtlicher aussieht, nicht wahr?

was gibts noch über die WBW (oder doch lieber WSW, um zum begriff "weltstillwoche" zurückzukommen) zu berichten?
der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ) hat nun erstaunlicher-, oder bessergesagt erfreulicherweise inzwischen auch wahrgenommen, dass es sowas wie eine internationale aktionswoche zur förderung des stillens gibt. leider wurde - wie so oft beim zitieren der WHO-stillempfehlung - auch in der aktuellen meldung des BVKJ mal wieder unterschlagen, dass WHO und UNICEF nicht nur für 6 monate ausschließliches stillen sind, sondern auch für eine gesamtstillzeit von mindestens 2 jahren. warum traut sich das bloß keiner auszusprechen???

ein aktuelles beispiel, dass flaschenkinder einen geringeren IQ haben, beweist uns hingegen der WDR, in dessen radioprogramm WDR4 ein reichlich dümmlicher kommentar über die weltstillwoche ausgestrahlt wurde. die betreffende "auf ein wort"-sendung zeigt eindrücklich, dass so mancher mensch, dem als kind die brust vorenthalten wurde, intellektuelle defizite aufzuweisen scheint, die auch mit pseudowitzigen formulierungen nicht zu kompensieren sind.
meine güte, und sowas finanzieren wir mit unseren GEZ-gebühren!

lieber herr hoffmann, sie arbeiten bei einem öffentlich-rechtlichen sender, dessen aufgabe es nicht ist, zur allgemeinen desinformation beizutragen. vielleicht lesen sie sich lieber nochmal die programmleitlinien ihres arbeitgebers durch, in denen steht nämlich:
"Die journalistischen Standards von Recherche und Gegenrecherche, Gründlichkeit vor Schnelligkeit sowie Ausgewogenheit und Fairness in der Darstellung haben in der Berichterstattung oberste Priorität. Die Themen der Berichterstattung in den wdr-Programmen werden ständig auf ihre Relevanz überprüft, die Informationen sind glaubwürdig und verlässlich."
aaaaah, begriffen? erstmal informieren, bevor man den mund zu weit aufreißt. vielen dank.

und die ARD-gremienvorsitzenden bestimmen ihren standort so:
"Die Bürger/innen dürfen vom gebührenfinanzierten Rundfunk einen professionellen Journalismus erwarten, der sorgfältige Recherche, Seriosität, unabhängige Standpunkte und Fairness beinhaltet.[...]
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist nicht zuletzt aufgrund seiner Finanzierung aus Rundfunkgebühren ein gesellschaftliches Gut."

ein wesentlich wichtigeres und schützenswerteres gesellschaftliches gut sind unsere kinder und vor allem deren gesundheit. und was tun wir am besten, um sie gesund und munter zu erhalten? wir stillen sie, genau. und wir setzen uns dafür ein, dass das stillen wieder zur weltweiten norm wird - wenn sie uns freundlich fragen, erklären wir ihnen bei einer tasse stilltee auch gerne in aller ruhe, warum wir das tun (keine angst, wir beißen nicht, wir helfen ihnen gerne bei ihrer bisher noch recht defizitären recherche).

also, lieber herr hoffmann, danken sie ruhig ihrer mama, jede mutter hört sowas gerne, und wir kampfstillerinnen bedanken uns im gegenzug dafür bei ihnen, dass sie unsere rundfunkgebühren für stillfeindliches geplapper verschwenden und uns den anlass dafür gegeben haben, über einen weltweiten tag des dämlichsten radiokommentars ernsthaft nachzudenken. sowas könnte man sicherlich auch toll normieren, um die qualitätsstandards der glossierten idiotie zu wahren...

10.10.06

der weltraum. unendliche weiten...

wir befinden uns in einer fernen zukunft...

ach nein, doch nicht, wir befinden uns nur in der abgründigen gegenwart, und die nationale stillkommission hat nach über 14 monaten (wow!) mal wieder eine pressemitteilung herausgegeben.

in dieser meldung findet sich jedoch eine spannende aussage, die uns auf bislang unbekanntes leben in fernen galaxien aufmerksam macht:

Das in Deutschland bestehende Verbot, kostenlose Proben von Säuglingsanfangsnahrung an Schwangere oder Mütter abzugeben, wird jedoch nicht immer eingehalten. Die im deutschen Diätverband zusammengeschlossenen Hersteller haben beschlossen, keine derartigen Proben mehr zur Verfügung zu stellen und halten dieses Versprechen auch ein. Anlässlich der Weltstillwoche vom 2. bis 8. Oktober 2006 fordert die Nationale Stillkommission die übrigen Hersteller und Vertreiber nachdrücklich auf, keine kostenlosen Päckchen von Säuglingsanfangsnahrung mehr an Schwangere und an die Mütter Neugeborener zu verteilen.

laut der mitgliederliste des deutschen diätverbands verteilen unter anderem folgende hersteller keine pröbchen:
HIPP-WERK Georg Hipp
HUMANA Milchunion eG
MILUPA GmbH
NESTLÉ Deutschland AG
Nestlé Nutrition GmbH


ist das nicht seltsam? wenn all diese in diesem verband verbündeten unternehmen versprochenermaßen (doppel-wow!) keine proben verteilen, dann muss es irgendwo in einem paralleluniversum ein paar ganz fiese wesen geben, die heimlich in unsere welt schleichen und produktpröbchen verteilen, die haargenauso aussehen wie die von den obengenannten firmen. anders als durch eine solche verschwörungstheorie ist es doch gar nicht zu erklären, dass wir mütter ausgerechnet von diesen herstellern immer wieder kostenlose kunstmilchproben kriegen, obwohl sie überhaupt keine zur verfügung stellen.

vielleicht sind das ja sogar die gleichen aliens, die auch für das mysteriöse verschwinden einzelner socken in der waschmaschine verantwortlich sind? socken verschwinden, pröbchen tauchen auf - ist hier gar ein maxwellscher dämon am werke, der uns diese verzwickte sache mit der entropie am anschaulichen beispiel erläutern will?

oder was fällt euch noch dazu ein? wie kommen bloß all die pröbchen in die wartezimmer unserer ärzte? die wahrheit ist irgendwo da draußen...

6.10.06

role model mom

auf dem august-cover der US-ausgabe der zeitschrift vogue ist linda evangelista, 41 jahre alt - und schwanger. sie erwartet ihr erstes kind mitte oktober, und die dazugehörige story "big girls don't cry" beschreibt die rückkehr der supermodels, in deren business man für gewöhnlich ja bereits mit anfang zwanzig als "alt" gilt.

dies allein wäre noch kein grund, die vogue hier zu erwähnen, drehen sich die themen des modemagazins doch in aller regel nicht ums stillen. gucci, joop und kenzo sind nicht unbedingt als hersteller von still-bhs bekannt, und nicht jede stillmama hat zeit, lust und nerven, sich so herauszubrezeln, als käme sie gerade vom laufsteg, wenn sie morgens beim bäcker brötchen holt - abgesehen davon, dass man die spuckflecken von halbverdauter muttermilch nach dem bäuerchenmachen wohl nur eher schwer wieder aus den feinen designerstöffchen rauskriegen dürfte.
aber ausnahmen bestätigen die regel, und es gibt sie doch, die schnittstelle zwischen vogue und stillzeit:
in besagter vogue-ausgabe ist ein stillfoto!

es stammt vom supermodel angela lindvall, 27 j. und zweifache mutter. ihr jüngerer sohn sebastian ist im mai 2005 geboren und müsste auf dem bild demnach um die 14 monate alt sein.
schaut man sich das foto genauer an, erkennt man, dass der kleine wohl an der brust eingeschlafen sein muss. korrekt angedockt ist er jedenfalls nicht, dafür sieht man zuviel von der areola.

ob die aufnahme also nur gestellt ist (was böse zungen behaupten) oder ob angela lindvall tatsächlich zu den langzeitstillerinnen gehört, die die vorteile des in-den-schlaf-stillens genießen - wir werden es anhand dieses einen bildes wohl nicht erfahren.
nundenn, grübeln wir nicht länger darüber nach, sondern freuen wir uns einfach darüber, dass auch in der welt der frauenzeitschriften trends gezeigt werden, die wir einfach nur gut finden und bei denen wir gerne zu fashion victims werden.
stillen kommt in mode. :-)

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