26.2.07

soziale leiter

am valentinstag beglückte uns der spiegel mit einem traktat, das mal wieder zeigt, wie oberflächlich manche journalisten denken und recherchieren und wie verdreht man sachverhalte darstellen kann.
es geht um diesen artikel hier, und da sich in ihm so vieles findet, was kommentierungswürdig ist, möchte es sich die stillzeit nicht nehmen lassen, den gesamten text in aller ruhe mal durchzugehen.


FRAGWÜRDIGE STILLSTUDIE
Segnungen der Muttermilch
Von Heike Le Ker


und da fängt's ja schon gleich an...
liebe frau le ker, schade, dass sie so voreingenommen gegenüber dem stillen sind. gerade als ärztin sollten sie es doch besser wissen. traurig, traurig.
was ist denn an dieser studie so "fragwürdig"? denken sie, Archives of Disease in Childhood ist ein so mieses blatt, das nur fragwürdige untersuchungen abdruckt? aha.


Viele preisen sie als Supercocktail, der Diabetes, Übergewicht und Bluthochdruck vorbeugt. Muttermilch soll sogar den sozialen Aufstieg begünstigen, melden jetzt britische Forscher.

warum "soll"? haben sie denn die studie, die sie als aufhänger für ihren artikel nehmen, gar nicht wirklich selbst gelesen? okay, hier ist sie: Breast feeding in infancy and social mobility: 60-year follow-up of the Boyd Orr cohort.
jetzt gelesen? gut. und was stand da? nicht "muttermilch soll den sozialen aufstieg begünstigen", sondern "Breast feeding was associated with upward social mobility." warum nicht einfach das zur kenntnis nehmen, was die bristoler forscher herausgefunden haben?


Doch unumstritten ist unter Experten nur: Stillen stärkt die Beziehung von Mutter und Kind.

schön, dass wir uns da einig sind. aber dafür muss man nicht mal experte sein. jede stillende mutter wird ihnen das bestätigen können.


Hühnersuppe, Brustwarzenformer und Stillkissen machen nur den Anfang. Die mütterliche Ernährung muss stimmen, Tageszeiten und Sitzposition sowieso, und auch das Lächeln der Mutter mit ihrem friedlich saugenden Kind in den Armen sollte richtig sitzen.

ach herjee, wo haben sie dieses "wissen" denn her? ganz schön tief in der klischeeschublade gewühlt, wie? seien sie versichert, es gibt genügend frauen, die über jahre hinweg glückliche stillbeziehungen mit ihren kindern haben, ohne jemals auch nur einen einzigen löffel hühnersuppe gegessen zu haben (was bitte hat die eigentlich mit der laktation zu tun?), ohne je einen brustwarzenformer gebraucht zu haben (und für die, die einen brauchen, ist er tatsächlich sinnvoll) und ohne ein stillkissen benutzt zu haben (und was wäre verwerflich daran, wenn manche stillmütter so etwas praktisch fänden?).


Stillen ist heute fast ein Muss, "breast is best" lautet das Credo der Muttermilch-Verfechter. Zahlreiche Studien werden zitiert, um dieses Glaubensbekenntnis zu untermauern - doch die stehen auf sehr unterschiedlich sicheren Fundamenten.

nene, das hat nix mit glauben zu tun. stillen ist nichts, wozu man sich bekennen müsste. es ist einfach ein biologisches faktum. menschen sind säugetiere, und säugetiere saugen. gaaaanz einfach, kennen sie vielleicht noch aus dem bio-unterricht. so hat sich die menschheit entwickelt. nennt man evolution (beisst sich also ein bisschen mit glauben).

und der "breast is best"-slogan, naja, der ist ja auch nicht wirklich prickelnd. stillen ist nicht das beste, sondern das ganz normale. es ist die norm, die das menschliche kind erwartet, um sich natürlich und artgemäß entwickeln zu können. wenn es seine muttermilch nicht bekommt (die WHO spricht von mindestens 2 jahren stillzeit), dann gedeiht es halt nicht so gut. dann ist das risiko, dass es gaaaanz viele krankheiten bekommt, halt größer. so wie ein raucher, der eben nicht ganz so gesund lebt wie ein nichtraucher und deswegen größere gesundheitliche risiken hat. bloß dass der raucher sich das selbst ausgesucht hat. das kind hingegen kann nicht frei wählen. wenn die mutter nicht stillen will, hat es eben pech gehabt, dann steigen seine risiken halt. traurig, aber so isses einfach. kann man auch durch "glaubensbekenntnisse" nicht ändern.


"Muttermilch produziert soziale Aufsteiger" meldet etwa eine Nachrichtenagentur.

ja, die hat wahrscheinlich die pressemitteilung der uni bristol nacherzählt.


Forscher der britischen University of Bristol hatten Studienteilnehmer einer Untersuchung zur kindlichen Ernährung von 1937 bis 1939 wieder aufgesucht. 1414 von ursprünglich 5000 konnten sie noch ausfindig machen und befragen: Ihren Ergebnissen zufolge sind diejenigen von ihnen, die in den dreißiger Jahren mit Muttermilch ernährt worden, mit bis zu 40 Prozent größerer Wahrscheinlichkeit die soziale Leiter hinauf geklettert als jene Probanden, die früher Milch aus der Flasche bekommen hatten.

achtung, nicht schlampig werden und falsch abrunden. es waren sogar 41%. höhö.


Der Unterschied klingt größer, als er ist, handelt es sich doch um relative Wahrscheinlichkeiten, die aus dem Vergleich der Aufstiegschancen der beiden Gruppen resultieren.

nichtsdestotrotz ist der unterschied da. warum wollen sie ihn wegreden?


Und auch die Ursache wurde in der Studie nicht sicher aufgeklärt: Ist es tatsächlich die Nahrung aus der Brust, die aus gestillten Kindern aufstrebende Erwachsene macht? Möglicherweise sind es viel eher der enge Körperkontakt zur Mutter, die Intelligenz der Eltern oder die soziale Umgebung, die eine solche Entwicklung begünstigen.

richtig. genau all das schreiben doch auch die autoren der studie in der diskussion ihrer ergebnisse. wo ist das problem? es gibt nunmal direkte und indirekte faktoren, so what?

und zur intelligenz der eltern schreiben die forscher doch auch selbst etwas, da muss man nicht mutmaßen: "Maternal educational level is an important potential confounding factor about which we lacked data, but we could find no empirical evidence that it was positively associated with breast feeding in the 1920s and 1930s."


"Das Problem solcher Studien ist, dass sie fast nie frei sind von Störfaktoren, die das Ergebnis in die eine oder andere Richtung beeinflussen", sagte Frank Reister von der Frauenklinik der Universität Ulm zu SPIEGEL ONLINE.

hui, und welche studie, bei der es um menschen geht, ist wirklich frei von jeglichen störfaktoren? klingt doch schon ein bisschen nach einer nullaussage, oder?


Mehr IQ durch Muttermilch?

nette zwischenüberschrift, aber leider falschrum ausgedrückt. so ist's richtig: "weniger IQ durch kunstmilch" (wobei wir stilistisch eher zu der formulierung "niedrigerer IQ" tendieren würden, um das sprachliche niveau nicht ganz so arg sinken zu lassen, aber dies nur am rande).


Auch die Studienautoren um Richard Martin von der sozialmedizinischen Fakultät der University of Bristol interpretieren ihre Ergebnisse vorsichtig: "Es ist möglich, dass sich stillende Frauen zu jener Zeit von den heutigen Müttern unterschieden", schreiben sie in ihrem noch unveröffentlichten Beitrag in der Fachzeitschrift "Archives of Disease in Childhood". "Alle Störfaktoren können wir nicht ausschließen."

na also. sie haben ja wohl doch einen kleinen blick in's original geworfen.


Dennoch reichen solche oder ähnliche Daten oft aus, um die Vorzüge des Stillens vollmundig zu bewerben.

nö, da muss nix beworben werden. stillen hat keine vorzüge. aber nicht zu stillen, das hat jede menge nachteile. tut uns leid, liebe frau le ker, aber sie zäumen das pferd von hinten auf. sie gehen vom raucher aus und behaupten, der nichtraucher würde beworben, weil er weniger lungenkrebs kriegt. aber so passt's einfach nicht, diese verquere logik ist nicht stimmig.


Dazu gehört etwa die wenig kritische Aussage, dass die Milch aus Mutters Brust intelligent mache. Gleich mehrere Studien haben sich mit diesem Zusammenhang beschäftigt - mit unterschiedlichem Ergebnis. Eine große dänische Studie aus den 60er Jahren etwa kommt zu dem Schluss, dass gar nicht oder nur einen Monat lang gestillte Kinder einen deutlich niedrigeren IQ hatten als gestillte.

genau, so ist's brav. nicht "die gestillten sind klüger" sagen, sondern schön "die nichtgestillten sind dümmer", denn die sind ja die armen, denen die muttermilch vorenthalten wird und die dadurch nicht ihr volles potential ausschöpfen können.


Weitere Untersuchungen kamen zu ähnlichen Ergebnissen.
Das renommierte "British Medical Journal" hingegen berichtete im vergangenen Jahr von einem ganz anderen Zusammenhang: Die Untersuchung von mehr als 5000 Kindern und über 3000 Müttern hatte ergeben, dass vielmehr der IQ der Mutter die Klugheit der Kinder beeinflusst.


oh, da hat aber jemand geschludert beim verlinken, klappt ja gar nix auf der spiegel-page. aber wir sind fleissig und besorgen uns diese studie selbst.


Denn die Wissenschaftler um Geoff Der vom Medical Research Council in Glasgow konnten keinen Unterschied zwischen gestillten und mit der Flasche gefütterten Geschwistern finden.

nanana, nicht gleich so nivellierend verallgemeinern. ein unterschied war schon da, er war nur nicht signifikant. echt schade, dass sie gleich wieder alles zu ungunsten des stillens drehen. sind sie von nestle gesponsort worden?

und warum erwähnen sie eigentlich nicht die kritik, die berechtigterweise an dieser studie geübt wurde? wenn man keine sauberen daten hat und das studiendesign defizitär ist, ist es doch nicht verwunderlich, dass man ein ergebnis rausbekommt, das allen bisherigen untersuchungen zum selben thema widerspricht.


Lediglich, so bemerkten sie, tendieren Mütter mit höherem IQ eher zum Stillen als andere.

tja, so isses. kluge mütter stillen ihre kinder. und diese töchter sind dann wieder genauso klug und stillen ihre kinder auch. und sie haben ihre mütter als vorbild und ratgeberin, deswegen klappt's bei ihnen mit dem stillen, weil ein solcher support was feines ist.
sowas nennt man auch stillkultur - gibt's bloß hierzulande kaum noch.


Nur jede zehnte Mutter hält sechs Monate durch
Aufgrund der schwierigen Analyse sind viele Studien mit Vorsicht zu genießen. Denn durchschaubar übereilt formulierte Positivaussagen können auch die unbestrittenen Vorteile von Muttermilch in Misskredit bringen: Experten sind sich heute einig, dass die Milch aus Mutters Brust vor Infektionen und Allergien schützen kann. Denn das proteinreiche Sekret enthält viele Antikörper, Enzyme und spezielle Zellen, die der Abwehr im kindlichen Körper dienen. Auch die Frau selbst profitiert vom Stillen, denn ihr Risiko für Brustkrebs sinkt und sie verliert nach der Geburt schneller wieder ihr Gewicht, sagte Frank Reister.


d'accord, wobei wir auch hier wieder die sache mal von der richtigen seite sehen wollen: diejenigen mütter, die nicht stillen, erhöhen ihr brustkrebsrisiko.

den ausdruck "proteinreiches sekret" als synonym für muttermilch müssen wir uns übrigens unbedingt für die nächste wahl zum unwort des jahres merken.


Zudem passt sich die Muttermilch den Bedürfnissen des Kindes direkt an, was mit industriell gefertigten Produkten natürlich nicht möglich ist. Vitamine, Kalzium und Eisen erhält das Kind dann je nach Bedarf.

nicht zu vergessen: auch die menge passt sich dem bedarf an. das ist bei der kunstmilchpackung nicht so. wenn die leer ist, ist sie leer.


Aus diesem Grund schreibt auch die Nationale Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): "Die beste Ernährung in den ersten vier bis sechs Monaten ist die Muttermilch".

ja, das ist echt ne traurige sache mit diesem stillempfehlungs-flyer der NSK. wirklich schade, dass die nicht in der lage sind, sich an der WHO-empfehlung zu orientieren, die 6 monate ausschließliches stillen und mindestens 2 jahre gesamtstillzeit rät. und weil die AFS da sogar auch noch mit auf dem flyer draufsteht (was ja eigentlich ganz nett ist), sieht es so aus, als würde auch die AFS nur eine so kurze stillzeit wie die NSK empfehlen. stimmt aber nicht, im unterschied zur NSK finden wir die WHO-empfehlung richtig gut und helfen sie auch umzusetzen.


Dennoch halten sich längst nicht alle an diesen Rat: Die Studie "Stillen und Säuglingsernährung" (SuSe) deckte in den Jahren 1998 und 1999 auf, dass zwar 90 Prozent der Frauen ihre Kinder im ersten Lebensmonat stillen. Doch nach vier Monaten war nur noch weniger als die Hälfte übrig, weitere zwei Monate später gaben nur noch zehn Prozent ihren Kindern die Brust.

betrübliche zahlen, nicht wahr? auch artikel wie ihrer, liebe frau le ker, tragen dazu bei, dass die frauen entmutigt werden und ihren stillwunsch schnell wieder aufgeben, sobald sich mal ein kleines problemchen zeigt, das mit hilfe einer stillberaterin oftmals locker zu lösen wäre.


Dabei ist die Empfehlung der Stillkommission relativ neu.

kunststück. die NSK gibt's ja auch erst seit 1994.


Besonders in der Zeit des Zweiten Weltkriegs und in den siebziger Jahren war Stillen noch stark umstritten: Die Angst vor Schadstoffen veranlasste viele Mütter, zur Flasche für ihr Kind zu greifen. Auch heute können Mediziner nach Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) noch Rückstände von über 300 Pestiziden, Weichmachern und Duftstoffen in der Muttermilch finden, doch die Belastung ist im Durchschnitt wesentlich geringer als vor ein Paar Jahrzehnten.

nennen sie uns doch jetzt bitte ein lebensmittel, in dem man keine schadstoffe finden kann... richtig, gibt's nicht, sind überall giftstoffe drin, auch in der kunstmilch, also gäb es eh keine alternative, und weiterstillen ist daher doch nicht so ungesund, wie sie das hier suggerieren.

achja, und irgendwie haben sie wohl den entscheidenden faktor vergessen, der sich - verglichen mit den schadstoffen - wesentlich einflussreicher negativ auf die stillquoten ausgewirkt hat: die kunstmilchhersteller. seltsam, dass sie die gar nicht erwähnen...


Starke Bindung zwischen Mutter und Kind
In den Achtzigern änderte sich dann die Mode: Mütter gründeten Stillgruppen, Stillberater zogen in Krankenhäuser ein und die Weltgesundheitsorganisation WHO rief 1993 sogar eine Initiative der stillfreundlichen Krankenhäuser aus.


nein, es war 1991.


Seitdem wird Muttermilch - in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit und aus Sicht von Forschern - zu einem immer potenteren Supertrunk: Gestillte Kinder haben einen niedrigeren Blutdruck, meldeten Wissenschaftler im Fachjournal "Circulation" im Jahr 2004. Auch das Risiko für Übergewicht, einen erhöhten Cholesterinspiegel und Diabetes soll abnehmen, denn in dem weißen Trunk fanden Forscher das Hormon Leptin, das dem Körper signalisiert: Ich bin satt. Ob dieser Zusammenhang jedoch so stimmt, bezweifeln wiederum Autoren anderer Untersuchungen mit anderen Ergebnissen.

könnten sie uns freundlicherweise genauere referenzen und quellen für diese "autoren anderer untersuchungen" mit ihren "anderen ergebnissen" liefern? danke, wäre nett. komisch nämlich, dass wir von diesen zweiflern irgendwie noch gar nix gehört haben.


Nur in einem Punkt herrscht einhelliges Einvernehmen: Stillen stärkt die Beziehung von Mutter und Kind. Denn zusammengerechnet dauern die einzelnen Stillphasen täglich mehr als drei Stunden. "Nicht nur das Kind, auch die Mutter braucht Zeit, um sich zu binden", sagte Remo Largo, ehemaliger Leiter der Kinderheilkunde an der Universität Zürich. Der enge Kontakt über Haut und Blicke und die geschützte Atmosphäre beim Stillen tun Mutter und Kind gut, so die Meinung von Experten.

was ist denn eine "geschützte atmosphäre"? stehen wir stillmütter jetzt schon unter artenschutz, als wären wir eine aussterbende gattung? stillräume als biosphärenreservate? nene, im notfall kann man auch mitten im trubel an der supermarktkasse stillen. ist nix für jede, geht aber auch.


Viele Mütter können diese Ansicht bestätigen - und nehmen dafür auch Hühnersuppe, Brustwarzenformer und Stilleinlagen in Kauf.

ups, schlechtes ende. oben haben sie noch von stillkissen gesprochen, jetzt sind's stilleinlagen - und auch die sind für viele stillmütter in der ersten zeit nützlich und sinnvoll. gehört halt dazu, so wie die dicken damenbinden gegen den wochenfluss. wenn man die nicht "in kauf nehmen" will, darf man eben keine kinder gebären, dann kommt man auch nicht in die verlegenheit, sowas benutzen zu müssen.

wissen sie, welche ansicht viele mütter bestätigen können? dass solche artikel wie ihrer die frauen eher vom stillen abhalten und leider arg tendenziös sind. auch unsere medienbeauftragte hat ihnen das ja geschrieben. vielleicht mögen sie sich all das mal für einen moment durch den kopf gehen lassen. wäre schön.

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