30.3.07

das gegenteil von gut

es ist schön, wenn sich sportler sozial engagieren. noch schöner wäre es hingegen, wenn sie - bzw. ihre berater - dabei auch ein mindestmaß an sachverstand walten ließen. ein eindrucksvolles beispiel, dass gutgemeinte aktionen manchmal einfach nur murksig sind, gibt die vorgestern der öffentlichkeit vorgestellte AIDS-aufklärungs-kampagne der michael-stich-stiftung.

nundenn, in medias res, stürzen wir uns mittenrein in die medialen abgründe:
wie findet ihr diese anzeige?
angesichts solcher motive kann die stillzeit nur noch entsetzt aufheulen. was soll dieser unfug?

zum einen muss man klarstellen, dass die aussage, die auf diesem bild zu lesen ist, schlichtweg faktisch falsch ist. wie die aktuelle ausgabe von the lancet ausführlich in form eines artikels mit dem titel "Mother-to-child transmission of HIV-1 infection during exclusive breastfeeding in the first 6 months of life: an intervention cohort study" berichtet, ist genau das gegenteil korrekt. auch der dazugehörige kommentar "Exclusive breastfeeding and HIV" stellt eindrücklich klar: wer kinder HIV-infizierter mütter vor dem tode bewahren will, sollte sich dafür einsetzen, dass diese kinder vollgestillt werden.
es verwundert sehr, dass die michael-stich-stiftung solche forschungsergebnisse - von denen es mittlerweile eine ganze reihe gibt - offensichtlich ignoriert. sollte man sich nicht lieber erstmal gründlich und objektiv informieren, bevor man in blinden aktionismus verfällt?
geradezu grotesk wirkt denn auch der am ende der pressemappe stehende slogan "wissen schützt. sie und ihre familie" ebenso wie der im anzeigenmotiv verwurstete spruch "denn aufklärung schützt vor ansteckung" angesichts der tatsache, dass es ja eben kein wissen ist, das die kampagne mit diesem motiv verbreitet, sondern vermutlich auf schludriger recherche basierende uninformiertheit. mit fatalen fehlaussagen klärt man niemanden auf - aber es ist ja auch zu verlockend, ein paar knackige titten abbilden zu können, wen kümmern da noch die fakten?

zum anderen erstaunt die stillzeit, dass sich die stiftung nicht bewusst ist, wie sehr sie mit solchen bildern ganz allgemein kindern schadet. denn was wird von dieser printanzeige im gedächtnis des lesers hängenbleiben? irgendeine "info" zum thema AIDS-prävention?
nein, es wird die - peinlicherweise sogar noch als "diagnose" bezeichnete - plakative message "die muttermilch macht's, dass babys sterben" sein, an die sich viele erinnern werden. gerade diese semantische zusammenführung von stillen und tod wird sich im unterbewusstsein unbedarfter mitbürger einprägen, und mit solchen stillfeindlichen vorurteilen werden wir stillmütter uns dann herumschlagen müssen. und ebendies wird sich in der folge negativ auf die stillkultur auswirken, d.h. die kinder werden weniger und kürzer gestillt werden, weil die mütter keinen gesellschaftlichen rückhalt beim stillen haben.
traurig, dass dieser zusammenhang nicht von seiten der stiftung erkannt wurde. man will die gesundheit der kinder fördern und tut aber etwas, das ein gegenteiliges resultat erzeugt.
AIDS-aufklärung ist wichtig, das stellt niemand infrage, aber diese aufklärung sollte nicht auf kosten des stillens passieren. zu viele kinder sterben jährlich weltweit, weil sie nicht gestillt werden. gerade in den sogenannten entwicklungsländern ist daher eine sorgfältige risikoabwägung und ein überdenken der bisherigen empfehlungen dringend geboten.

was bleibt also als fazit? die kampagne an sich ist durchaus nett, die umsetzung kreativ und gelungen - nur mit dem inhaltlichen haben wir als stillbefürworterinnen so unsere probleme...

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