28.4.07

mad scientist

wenn euch beim stichwort "der verrückte professor" jerry lewis oder eddie murphy einfällt, habt ihr eine komödie im sinn. ab sofort könnt ihr bei diesem stichwort auch an mike cawthorne denken, aber leider wird's bei dem eher tragisch und sehr unlustig, denn wir betreten mal wieder die abgründe der kunstmilchforschung.

professor cawthorne ist nämlich director of metabolic research an der uni buckingham, und er hat sich etwas ganz tolles ausgedacht:
flaschenkinder werden fetter als stillkinder. fettsein ist ungesund. also macht man einfach appetitzügler in die flaschenmilch, dann gleicht sich das ganze wieder aus und die flaschenkinder bleiben genauso rank und schlank wie die stillkinder.

zu hülf! wir wollen doch mal ganz schwer hoffen, dass diese wahnwitzige idee, die sich bislang erst im stadium des tierversuchs befindet (?), niemals durchsetzt. the independent berichtet ausführlich über die bisherigen ergebnisse des stoffwechselforschers, und ihr könnt in dem dortigen artikel "Scientist create 'anti-obesity' infant formula" so klasse sätze lesen wie:

Prof Cawthorne argues he is only giving babies what they would normally get anyway from their mothers' milk.

"There are always safety concerns, and whenever you do anything there tend to be unexpected events. But one could argue that giving formula feeds to babies that are different from breast milk might itself be changing their programming."

Prof Cawthorne agreed that leptin was not the only natural ingredient missing from formula milk, and other factors also influenced obesity.



herjee, dann stillt die kinder halt doch einfach, dann werden sie auch nicht zu dick!
nur weil in der muttermilch leptin drin ist und weil dieser stoff bei erwachsenen als appetitzügler angewendet wird (mit enttäuschenden resultaten übrigens), heißt das doch noch lange nicht, dass man das zeug auch in die ohnehin schon ungesunde kunstmilch reinmixen sollte. welche mutter gibt ihr baby freiwillig als versuchskaninchen für solch ein experiment mit völlig unabsehbaren folgen für das kindliche wachstum her?

beruhigenderweise kommen in dem independent-artikel immerhin auch einige kritische stimmen zu wort, und auch im guardian und im focus liest man kommentare von zweiflern.

wiederum eher beunruhigend ist es hingegen, einen blick in die original-studie zu werfen. dort bekamen nämlich die rattenmütter - und nicht die kinder - das leptin, und die kleinen babyratten erhielten nicht nur verschiedene sorten futter, sondern wurden auch gestillt. dadurch veränderte sich beim nachwuchs die entwicklung des energiebilanz-regulationssystems, und das auch noch geschlechtsabhängig.
vereinfacht gesagt: die gestillten ratten bekamen zu fettes fressen, und um das wieder auszugleichen, erhielten die rattenmamas in schwangerschaft und stillzeit leptin, wodurch ihre rattenkinder nicht ganz so fett wurden wie diejenigen, deren mütter kein leptin bekamen.
man schafft also künstlich ein problem (durch falsche ernährung des kindes), das man ebenfalls künstlich (durch leptin-gabe an die mutter) wieder zu lösen versucht. super...

auch eine kürzlich in nature veröffentlichte studie aus mallorca (ja, da gibt's nicht nur ballermann und strand, sondern auch ne uni), die sich mit einem sehr ähnlichen thema befasste, weist von den ergebnissen her in die gleiche richtung.

und aus solchen beobachtungen am tiermodell schlussfolgert cawthorne nun, dass es beim menschen zur vorbeugung von fettsucht sinnvoll wäre, der muttermilchersatznahrung leptin beizumischen. einem weiteren guardian-artikel zufolge ist er zuversichtlich, dass die plastikhungermilch in weniger als 10 jahren marktreif sein wird.

doch kann man die möglichen gefahren denn überhaupt einschätzen? wird von seiten der forscher auch nur ansatzweise über negative folgen nachgedacht?
was ist beispielsweise, wenn die babys aufgrund dieser nahrung kein natürliches hungerempfinden mehr haben und dann nachts zu fest schlafen? könnte dies auswirkungen auf das risiko des plötzlichen kindstods haben? schon jetzt haben flaschenernährte kinder ein höheres SIDS-risiko als gestillte kinder - möglicherweise verschärft sich diese problematik durch die leptin-milch?
oder was ist mit der beeinflussung des hormonhaushalts? bereits die rattenversuche zeigen, dass das leptin bei den männlichen versuchstieren anders wirkt als bei den weiblichen. könnten beim menschen nicht fortpflanzungsstörungen im erwachsenenalter eine langfristige folge sein? was ist mit diabetes? essstörungen?

wer möchte sein kind solchen gefahren aussetzen?
fettleibigkeit ist ein großes gesundheitsproblem in den industrieländern, doch bei cawthornes ansatz, es zu lösen, überkommt einen nur noch ein gewaltiges gruseln. :-(

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