27.2.08

operation gelungen, patient tot

die bundeszentrale für gesundheitliche aufklärung (BZgA) ist eine staatliche institution. sie ist dem gesundheitsministerium untergeordnet, und das bedeutet, dass ihre verlautbarungen sozusagen die ansicht "des staates" sind.

nun haben viele von uns manchmal das gefühl, dass "die da oben" ab und zu fehler machen. das können nur ganz kleine dinge sein, es können aber auch so richtig üble fahrlässigkeiten sein, bei denen man sich am liebsten gleich wieder stammtischmäßig darüber aufregen möchte, dass sowas "von unseren steuergeldern" bezahlt wird.

die BZgA liefert uns ein hervorragendes beispiel für eine solche staatlich finanzierte unfähigkeit und inkompetenz. sie hat nämlich ein portal namens kindergesundheit-info eingerichtet, und dort können eltern nicht nur jede menge dinge nachlesen, die auch in jeder anderen babybroschüre drinstehen, sondern sie können sich auch so richtig schön heftige gesundheitsgefährdende ratschläge abholen.

wie wäre es also hiermit zum thema "abstillen"?

"Wenn Sie nach vier oder sechs Monaten ganz abstillen möchten und Ihr Kind mit Riesenprotest auf die Flasche reagiert, sollten Sie am besten schnell, das heißt von heute auf morgen auf die Flasche umstellen. Bieten Sie die Brust möglichst nicht mehr an, sondern geben Sie Ihrem Kind trotz seiner Proteste immer wieder die Flasche. Das ist für Sie beide in dem Moment belastend, aber konsequent. Der Vater oder Partner kann eine gute Hilfe sein, das Baby umzugewöhnen, indem er die Fütterung übernimmt, wenn Sie außer Sichtweite sind."

was glaubt ihr, was passieren kann, wenn man sich wörtlich an diesen ratschlag hält und also nach viermonatigem vollstillen von einem tag auf den anderen schlagartig abstillt? genau, man kann sich auf diese weise einen dermaßen fiesen milchstau einhandeln, der sich zu einer bilderbuchmäßigen brustentzündung entwickeln kann. wow, echt toller tip. das kind hängt an der pulle, und die mutter doktert noch wochenlang an ihrer mastitis herum.

und wie geht es eigentlich dem kind dabei? denken wir nur mal an seine verdauung. wenn es völlig plötzlich von muttermilch auf irgendeine kunstplörre umgestellt wird und aber ein empfindliches verdauungssystem hat, dann dürften die lauten nächte mit kolikgeschrei vorprogrammiert sein.

über die psychischen folgen für das kind, wenn es protestiert und sich wehrt und dann trotzdem einfach nichts anderes angeboten bekommt außer der flasche, sodass es sie nehmen muss, wenn es nicht verhungern und verdursten will, möchten wir an dieser stelle lieber gar nicht nachdenken, sonst wenden wir uns gleich an den kinderschutzbund mit dem hinweis auf eine anstiftung zur kinderquälerei.

wir möchten an dieser stelle ganz nebenbei mal auf das bürgerliche gesetzbuch (BGB) hinweisen, und in dem steht im § 1631:

"Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig."

und auch § 221 StGB sagt klar, dass es ganz und gar nicht in ordnung ist, wenn man einen menschen in eine hilflose lage versetzt und ihn dadurch der gefahr einer schweren gesundheitsschädigung aussetzt, und dass dies noch weniger in ordnung ist, wenn es sich dabei um ein kind handelt. im § 225 StGB lesen wir ähnliches über die misshandlung schutzbefohlener.

also, liebe BZgA, geht deine gesundheitliche "aufklärung" (???) nicht ein bisschen zu weit, wenn du vorschlägst, wir sollen dem kind die brust verweigern und es zwingen, die flasche zu nehmen, ganz egal, ob es das will oder nicht? was machen wir denn, wenn es sich über tage hinweg standhaft weigert? lassen wir es verdursten? in dem tip steht doch, man solle konsequent sein, und das sei ja alles in dem moment ein bisschen belastend...
die grenzen zu psychoterror und körperlicher misshandlung sind fließend, und man sollte nicht davon ausgehen, dass alle eltern, die solche ratschläge lesen, auch wissen, dass das "so ja gar nicht gemeint war". wenn es nicht so gemeint ist, dann darf man das auch nicht so schreiben. und wenn es so gemeint ist, wie es da steht, dann ist das genaugenommen ein aufruf zu einer straftat.


was uns ferner wundert, das ist, dass die nationale stillkommission (NSK) diesem stillfeindlichen und gesundheitsgefährdenden treiben tatenlos zuzusehen scheint. die NSK ist eigentlich unter anderem dafür da, staatliche stellen bezüglich stillbezogener themen zu beraten, denn ihre aufgabe ist die förderung des stillens.
unserer meinung nach reicht es keineswegs aus, wenn in einem internet-auftritt der BZgA lediglich ein paar links zu NSK-empfehlungen genannt werden, denn auch die restlichen informationen, die man auf einem solchen info-portal findet, sollten stillfreundlich sein und nicht derartig abgründige fehler enthalten wie den oben angesprochenen. da die NKS am bundesinstitut für risikobewertung (BfR) angesiedelt ist, könnte sie ruhig mal das risiko bewerten, das man eingeht, wenn man den BZgA-stilltips folgt.

und auch die stillorganisationen könnten sich ein paar gedanken darüber machen, ob sie es gut finden, in der linkliste einer solchen page aufgeführt zu werden, denn immerhin färbt der schlechte ruf dann imageschädigend auch auf sie ab, wenn mütter diesen falschen ratschlägen vertrauen und sich damit massive stillprobleme einhandeln. da dürfte es durchaus angeraten sein, sich an die verantwortlichen zu wenden und ihnen mit einigen fachlichen erläuterungen ihre fehler aufzuzeigen. eine gemeinsame erarbeitung und überholung des stillbezogenen informationsangebots der BZgA wäre eine mehr als sinnvolle aufgabe.


nicht nur zum thema stillen gibt es bei kindergesundheit-info jede menge verbesserungswürdige aussagen, auch in anderen bereichen liegt so manches im argen. man denke nur an die zum thema SIDS getroffene aussage, es gäbe studien, die darauf hindeuten, dass im familienbett schlafende kinder ein höheres risiko haben, am plötzlichen kindstod zu sterben.
ja, klar gibt es diese studien - aber es gibt auch jede menge untersuchungen mit gegenteiligem ergebnis. wenn man immer nur die halbe wahrheit erzählt, können sich die bürger nie eine eigene meinung zu einem thema bilden. co-sleeping ist längst nicht so gefährlich, wie dort suggeriert wird. im gegenteil.

je länger man sich bei kindergesundheit-info umschaut, desto mehr findet man zu mäkeln. zu korrigieren gäbe es jedenfalls genug. hoffen wir mal, dass sich jemand berufen fühlt, sich dieser sache anzunehmen.


naja, vielleicht hat das ganze ja aber auch methode, und die BZgA ist an konstruktiver kritik überhaupt nicht interessiert?
wenn den eltern schlechte stilltips gegeben werden, dann wird früher abgestillt. nicht oder nur kurz gestillte kinder sind häufiger übergewichtig, und da kann die BZgA dann prima zum thema adipositas aufklären. nichtgestillte kinder sollen auch häufiger mit suchtproblematiken zu tun haben - na huch, da hat die BZgA ja ein super infoangebot, wenn man sich das rauchen abgewöhnen will, und es gibt auch eine tolle initiative zum thema jugendlicher alkoholmissbrauch. das kind hat ein krankhaftes essverhalten entwickelt, weil es schon als baby immer sein fläschchen austrinken musste, ohne dass die mutter darauf geachtet hat, ob es schon satt ist? hey, da gibt's doch diese infoplattform der BZgA über essstörungen. nichtgestillte kinder kriegen viel mehr krankheiten und krebs, und da stirbt man ja früher. kein problem, die BZgA hat doch auch eine beratungsstelle zur organspende...

BZgA-arbeitsbereiche wie "gesunde ernährung" und "suchtprävention" sind also nur die logische folge einer stillfeindlichen stillberatung. das ist klug, denn so macht man sich selbst unentbehrlich. irgendwie drängt sich der eindruck auf, dass es sich bei dieser bundeszentrale um eine einzige riesige arbeitsbeschaffungsmaßnahme handelt, die fast schon wie ein perpetuum mobile aufgebaut ist. einmal angestoßen, und die beratungsmaschinerie läuft perfekt.

und das ganze kann sogar ganz konkret und mit direkter kausalität funktionieren. erst berät man die eltern, damit sie den willen ihrer kinder brechen und sie unmenschlich behandeln (siehe obiges abstillbeispiel), und dann kann man sie sofort zum eigenen netzwerk gegen kindesvernachlässigung und -misshandlung schicken (siehe obige paragraphen).
ohne diesen BZgA-abstilltip wären die eltern vielleicht gar nicht darauf gekommen, das verzweifelte weinen ihres nachwuchses zu ignorieren, sondern hätten auf ihr herz und ihren instinkt gehört, aber wenn eine solche anweisung zum "konsequent-sein" von sogar hochoffizieller stelle kommt, muss man ihr doch folge leisten, oder?

ach, würde das alles nicht auf die kosten unserer gesundheit und der unserer kinder gehen, würden wir solch einen zynismus vielleicht sogar ganz witzig finden. aber wenn man so sehr an wissenschaftlichen fakten und am gesunden menschenverstand vorbeiberät, dann ist das entweder unfähigkeit oder methode. beides ist nicht gut für eine behörde.

21.2.08

ein löffelchen für die mama...

das britische Department of Health hat zusammen mit der UNICEF UK Baby Friendly Initiative eine überarbeitete version seiner broschüre zum thema einführung von beikost veröffentlicht.

der name des heftes "Weaning – Starting solid food" ist etwas irreführend, da es tatsächlich nicht so sehr um das abstillen im allgemeinen geht, sondern vielmehr nur um die heranführung des kindes an feste nahrung.
das stillen erstreckt sich idealerweise über mehrere jahre hinweg, und die wenigen monate der vollstillzeit sind somit ohnehin nur ein kleiner bruchteil der gesamten stillzeit, also ist es eher unpassend, von "abstillen" zu sprechen, wenn es bei der broschüre inhaltlich doch nur um den zeitraum zwischen ca. 6 und 12 monaten geht. abstillen dauert - wenn man dem kind die entscheidung über das ende der stillbeziehung überlässt - jahrelang. ;-)

erfreulicherweise wird immerhin in bezug auf die länge der stillzeit keine einschränkende angabe gemacht. es wird zwar leider nicht die WHO-empfehlung mit der gesamtstilldauer von mindestens 2 jahren erwähnt, aber wenigstens schreiben sie:
"Breastfeeding will continue to benefit you and your baby for as long as you choose to carry on."

von diesen kleinen schönheitsfehlern mal abgesehen ist es insgesamt jedoch ein gelungenes heft, das uns da von der insel erreicht, und man würde sich wünschen, es gäbe eine deutsche übersetzung davon, da alle relevanten aspekte enthalten sind.

spannend ist ein vergleichender blick auf die erstveröffentlichung der broschüre von 2005.
sofort fällt auf, dass das layout dieser ursprünglichen ausgabe wesentlich frischer und ansprechender gestaltet ist. auch die auswahl der bilder ist in der version von 2005 viel gelungener. schade, dass sich die neu aufgelegte broschüre diesbezüglich verschlechtert hat.
immerhin wurde das motto beibehalten, und das trifft die beikosteinführung wirklich sehr prägnant:
"Enjoy it. Encourage it. Don’t force it."

ein letzter punkt sei noch erwähnt, der etwas irritiert, und zwar auf seite 24 der neuaufgelegten version. dort wird werbung für "healthy start" gemacht - tja, und bei diesem staatlichen programm gibt es unter anderem gutscheine für kostenlose kunstmilch. sehr gesunder start, na klasse... :-/

14.2.08

du gehörst zu mir...

da haben wir eben noch von mitdenkender unterwäsche gesprochen, schon stolpern wir in den untiefen des netzes darüber.
wenn sie nicht eh ausverkauft wären, wäre das hier unser geschenktip zum valentinstag gewesen. ;-)

8.2.08

paranoide dessous

die moderne wissenschaft kann einen doch immer wieder beeindrucken. der einfallsreichtum der forscher scheint kaum noch grenzen zu kennen.

auf einen mitdenkenden BH, der mittels mikrowellen misst, ob seine trägerin brustkrebs hat, muss man ja wirklich erstmal kommen. die so erhobenen daten werden dann ausgewertet, und anhand der brusttemperatur kriegt man wohl gesagt, wie hoch das aktuell gemessene krebsrisiko ist. oder so ähnlich.

einige der fragen, die dieser von materialwissenschaftlern der uni bolton entwickelte smart bra aufwirft, stellt dankenswerterweise der doccheck-artikel "einfach wunderbra", und er liefert auch gleich eine realistische einschätzung über die erfolgsaussichten eines solchen produkts.

na, dann warten wir mal ab, was uns unsere unterwäsche in zukunft noch so alles verkünden wird.

wie wäre es beispielsweise mit einem fruchtbarkeitsslip, der automatisch den empfängnisstatus ermittelt und dem paarungsinteressierten mitteilt, ob das jetzt der rechte zeitpunkt ist, der geliebten an die wäsche zu gehen?
je nachdem, ob der heiße hengst nun der eigene göttergatte oder nicht vielleicht doch der göttergatte einer anderen ist, dürfte sein kinderwunsch vermutlich stark schwanken. da wäre ein unterhöschen, das an eisprungtagen laut alarm schlägt, doch eine echte marktlücke.

warum glauben wir bloß, dass sowas eher ein verkaufsschlager werden würde als der anti-brustkrebs-BH...? ;-)

2.2.08

die nackte wahrheit

heute ist murmeltiertag. das legendäre fest zur bestimmung des kommenden wetters - die treffsicherheit dürfte ungefähr genauso korrekt und konkret wie die prognosen der klimaforscher sein - wird wie immer am 2.2. gefeiert.

dass dieses datum der überlieferung nach auch maria lichtmess ist, ist vermutlich schon ins allgemeine vergessen gerückt und gehört (ebenso vermutlich zurecht) nicht mehr zur allgemeinbildung, daher weisen wir an dieser stelle kurz auf die ursprüngliche bedeutung hin:
Nach jüdischer biblischer Vorschrift galt die Frau nach Geburt eines Knaben 40 Tage und eines Mädchens 80 Tage als unrein (3. Mose 12,1-8).
schon früh in der abendländischen geschichte gab es also ganz klare ungleichheiten zwischen mann und frau, die sich rein logisch nicht erklären lassen.

eine andere ungleichbehandlung in unserem kulturkreis, für die es ebenfalls keine rationalen argumente gibt, ist die, dass es sich für uns damen nicht geziemt, oben ohne herumzuspazieren. nur an wenigen orten ist dies der holden weiblichkeit gestattet.
stillende mütter kennen es leider nur zu gut, dass sie blöde angeglotzt werden, wenn sie ihrem kind in der öffentlichkeit die brust geben. kaum ist ein minihauch haut zu sehen ist und jemand kann einen blick auf den blanken busen erhaschen, sind passanten mit kritisch gerunzelter stirn nicht weit - oder die genauso unangenehmen und überflüssigen spanner und voyeure, die sich am anblick einer laktierenden frau aufzugeilen scheinen.

doch rettung naht, denn es gibt die tapferen schwedinnen. aus dem hohen norden, wo man aufgrund der temperaturen das ganze jahr über eigentlich immer recht eingepackt herumläuft, kommt nun die ultimative brust-befreiungsfront.
bara bröst kämpfen für nackte tatsachen und für das recht, als frau ohne bedeckendes bikini-oberteil schwimmen gehen zu dürfen, wie auch der spiegel berichtet.

pool-planschen nur im höschen als symbol des gender mainstreaming - die welt hat nicht unbedingt auf diese aktion gewartet, doch das engagement hat durchaus seine guten seiten, denn der kampf gegen die übersexualisierung des weiblichen körpers ist sehr löblich. wollen wir hoffen, dass ein bisschen dieses elans auch auf die stillkultur überschwappt.

die weibliche brust ist primär dafür da, dem kind nähe und ernährung zu geben. die ergötzung des mannes an diesen rundungen ist lediglich ein kulturbedingtes sekundärphänomen, das sollten wir nicht vergessen. schön, dass die mutigen mädelz von bara bröst indirekt auch auf diesen laktivistischen aspekt hinweisen.

der mondkalender hat für heute übrigens einen besonderen tip:
Traditionell gilt dieser Tag als sehr geeignet für einen Neubeginn jeglicher Art. Fällt Ihnen etwas ein, was Sie ab heute ganz anders machen wollen?
also, wo wollt ihr anfangen? beim stillen oder beim schwimmen? ;-)

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